Maximilian Zirm
Partner

Arztpraxisübergabe – Verkauf von Patientendaten zulässig?

Nicht nur im Hinblick auf die seit 25.5.2018 geltende DSGVO, sondern auch aufgrund der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht sind der Verkauf und die Übergabe von Patientendaten ein brisantes Thema. Dem Arzt drohen bei einem Verstoß gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht neben berufsrechtlichen Konsequenzen auch strafrechtliche Folgen.

 

Allgemein

Häufig findet sich in Kaufverträgen über Arztordinationen ein eigener Passus betreffend den Patientenstock, wonach dieser mitverkauft wird. Diese Übergabe des Patientenstocks ist somit Vertragsbestandteil und spiegelt sich zumeist auch im Kaufpreis wieder. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Verpflichtung zur Übertragung von Patientendaten ebenso wie die Übertragung selbst unwirksam sind. Der kaufende Arzt bzw. Übernehmer hat aber gleichzeitig auch ein (berechtigtes) Interesse an der Nutzung der Patientendaten. 

§ 51 Abs 4 ÄrzteG behandelt die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht und hält dazu fest, dass der Kassenplanstellennachfolger (ggf. Ordinationsstättennachfolger) die Dokumentation von seinem Vorgänger zu übernehmen und aufzubewahren hat. Dies gestattet dem Kassenplanstellennachfolger allerdings noch nicht den Zugriff auf die Patientendaten. Die Verwendung ist nur mit Einwilligung des betroffenen Patienten erlaubt.

§ 54 ÄrzteG ist schließlich die zentrale Bestimmung betreffend die Verschwiegenheitspflicht. Darunter fällt bereits die Tatsache, dass ein Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und dem jeweiligen Patienten besteht. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt auch gegenüber anderen Ärzten.

Die schlichte Übergabe bzw. Übermittlung der Patientenkartei stellt somit zumeist einen Verstoß gegen diese Verschwiegenheitspflicht dar. Erst nach Zustimmung des Patienten darf das Behandlungsverhältnis offengelegt und die jeweiligen Patientendaten verwendet werden. Dies gilt auch im Falle der (verpflichtend) übernommenen Dokumentation nach § 51 Abs 4 ÄrzteG. Dies ist auch insofern nachvollziehbar, da dem Patienten kein neuer Arzt aufgezwungen werden kann. Der Patient kann grundsätzlich entscheiden, von welchem (niedergelassenen) Arzt er behandelt werden möchte. Damit wird das Recht auf freie Arztwahl gewährleistet. 

Die Weitergabe von Patientendaten ohne entsprechende Einwilligung stellt ein Offenbaren von Geheimnissen dar und ist nach § 121 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten bedroht.

Hinsichtlich der Einwilligung gibt es grundsätzlich keine strengen Anforderungen, jedoch sollte diese dennoch zweifelsfrei bzw. eindeutig sein. Diese kann daher sowohl ausdrücklich (mündlich oder schriftlich) als auch schlüssig erfolgen, indem sich der Patient in die Ordination des Nachfolgers begibt und sich vom neuen Arzt behandeln lässt. Zu Beweiszwecken empfiehlt sich allerdings eine schriftliche Zustimmungserklärung.

Im Zuge einer Ordinationsübergabe ist es daher sinnvoll, sich bereits vorweg um die jeweilige Zustimmung zu kümmern; dies durch entsprechenden Hinweis des Ordinationsinhabers auf die anstehende Ordinationsübergabe und durch eine Einholung der Zustimmung der Patienten (oder auch Dokumentation ausdrücklicher Ablehnungen).

Auch datenschutzrechtliche Vorschriften knüpfen eine Datenweitergabe an eine Zustimmung des Patienten oder an eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung. Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht finden sich ua. im § 54 Abs 2 bis Abs 5 ÄrzteG. 

 

Wie geht man nun mit den Patientenkarteien um, wenn noch nicht alle Einwilligungen bei der Praxisübergabe vorliegen?

Nach den „Münchener Empfehlungen zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht bei Veräußerung einer Arztpraxis“ bietet sich bei physischen Akten das „Zwei-Schrank-Modell“ an. Der Praxisverkäufer übergibt demnach zwei Karteischränke mit Patientendaten. Im ersten befinden sich die Karteikarten derjenigen Patienten, die in die Übergabe/Weitergabe bereits eingewilligt haben. In einem zweiten verschlossenen Karteischrank werden die Karteikarten der Patienten geführt, die sich noch nicht dazu geäußert haben. Wenn ein „alter“ Patient folglich in die Übergabe zustimmt, darf der übernehmende Arzt auf die jeweilige Karteikarte des Patienten (im verschlossenen Karteischrank) zugreifen und in seine laufende Kartei übernehmen. Im Vertrag zwischen den beiden Ärzten ist ausdrücklich festzuhalten, dass der übernehmende Arzt nur bei entsprechender Einwilligung des Patienten auf die Patientendaten im verschlossenen Karteischrank zugreift. Es empfiehlt sich zudem die Dokumentation und das Führen einer Liste betreffend die entnommenen Karteikarten. 

Patienten, die eine Übergabe an den Praxisübernehmer ausdrücklich abgelehnt haben, werden zumeist einen Ersatzempfänger bzw. ihren neuen Behandlungsarzt nennen, an welchen die Patientendaten folglich übergeben werden können und welcher die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht übernimmt.

In Bezug auf eine digitale Patientenkarteiführung ist die technische Umsetzung schwieriger: Jene Patientendaten, bei welchen noch keine Zustimmung vorliegt, könnten z.B. verschlüsselt und durch Passwort geschützt im System des Praxisübernehmers „ausgeblendet“ werden, sodass diese nicht aufscheinen. Nach entsprechender Einwilligung des Patienten kann die jeweilige Patientendatei eingeblendet werden und damit im laufenden System sichtbar gemacht werden.

Diese Problemstellungen sind natürlich nicht nur bei einer Praxisnachfolge, sondern auch bei Praxiszusammenlegungen oder bei Aufnahme eines weiteren Arztes (Gruppenpraxen) zu beachten und wird ebenso eine entsprechende Einwilligung des Patienten benötigt, damit die anderen/neu hinzutretenden Ärzte auf die Patientendaten zugreifen dürfen. Die Patientenkarteien dürfen nicht ohne weiters zusammengelegt werden und sind zunächst (bis zur Einwilligung) getrennt zu führen.

Abschließend ist somit festzuhalten, dass der Verkauf/die Übergabe von Patientendaten den Erwerber nicht zwangsläufig eine Nutzung dieser Daten einräumt. Die Verwendung der Patientendaten ist stets an die Einwilligung des Patienten gebunden.

 

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