David Stockhammer
Rechtsanwalt

Die österreichische Privatstiftung – Geschichte, Nutzen und Klischees

Die Privatstiftung ist ein Rechtsträger, dem vom Stifter oder von der Stifterin Vermögen dauerhaft für einen bestimmten Zweck gewidmet wird. Die Stiftung hat keine Eigentümer oder Gesellschafter, allerdings Begünstigte, die vom Ertrag des Stiftungsvermögens profitieren. Ihr Zweck muss nach außen gerichtet (kein Selbstzweck) und erlaubt sein.

Seit ihrer Einführung im Jahr 1993 hat sich diese Rechtsform als beliebtes Instrument etabliert, um Vermögen zu sichern und langfristig zu verwalten. Insbesondere in der Nachfolgeplanung von Familienunternehmen und Vermögenswerten spielt die Privatstiftung heute eine wichtige Rolle. Aber was genau sind ihre Vorteile und Nachteile, wie entstand sie historisch und für wen kann sie besonders nützlich sein? Dieser Überblick soll Antworten aus anwaltlicher Sicht geben.

Historische Entwicklung: Das Privatstiftungsgesetz 1993

Ursprung: Die österreichische Privatstiftung verdankt ihre Existenz einer Gesetzesnovelle von 1993. Initiator des Privatstiftungsgesetzes (PSG) war der damalige Finanzminister Ferdinand Lacina. Hauptmotiv für die Schaffung dieses neuen Instruments war die rasant steigende Kapitalflucht ins Ausland – vor allem nach Liechtenstein, das mit liberalen Stiftungsrechten lockte. Durch ein attraktives heimisches Stiftungsrecht wollte man abwandernde Vermögen zurück nach Österreich holen. Entsprechend wurden anfangs steuerliche Vorteile gewährt, um die österreichische Stiftung kreativ zu gestalten. Mit Erfolg: In den Folgejahren entstanden tausende Privatstiftungen. Insgesamt wurden seither über 4.000 Stiftungen gegründet, wovon aktuell knapp 3.000 aktiv sind. Die Mehrheit dieser Stiftungen hält Beteiligungen an heimischen Familienunternehmen (rund 64% des Stiftungsvermögens).

Reformen: Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte wurde das Privatstiftungsrecht jedoch mehrfach nachgeschärft. Die zunächst großzügigen Steuerprivilegien wurden aus sozialpolitischen und fiskalischen Gründen stark eingeschränkt. Diese Einschränkungen führten dazu, dass die Zahl der Neugründungen sank und die Gesamtzahl der Privatstiftungen leicht zurückging. Doch der Kernzweck der Privatstiftung – die langfristige Bindung von Vermögen – blieb unberührt und hat sich in vielen Fällen bewährt, insbesondere bei Unternehmensbeteiligungen in Familienhand.

Vorteile der Privatstiftung

Die Stärken der Privatstiftung liegen vor allem in der geordneten Vermögensnachfolge und dem Schutz von Unternehmen und Familienvermögen. Eine Privatstiftung kann verhindern, dass ein Familienunternehmen durch Erbfälle zersplittert oder zerteilt wird. Sie stellt sicher, dass das Lebenswerk des Stifters über dessen Tod hinaus erhalten bleibt und in seinem Sinne weitergeführt wird. Zudem bietet die Stiftung einen hervorragenden Schutz des eingebrachten Vermögens vor externen Risiken – etwa vor Gläubigerzugriffen oder kurzfristigem spekulativem Zugriff. Das Unternehmen oder Vermögen bleibt in der Hülle der Stiftung und ist dadurch weniger anfällig für Streitigkeiten unter Erben oder unerwünschte Übernahmen. Viele der größten österreichischen Familienbetriebe sind heute (teilweise) im Besitz von Privatstiftungen, was ihnen Stabilität verleiht.

Auch jenseits von Unternehmen ermöglicht die Privatstiftung eine individuelle Gestaltung der Vermögensverwaltung und -weitergabe an künftige Generationen. Der Stifter kann in den Statuten detailliert festlegen, wer zu welchen Anteilen begünstigt ist, wie Erträge verwendet werden und wie die Nachfolge der Begünstigten geregelt ist. Diese Flexibilität erlaubt es, maßgeschneiderte Lösungen für komplexe Familiensituationen zu schaffen – beispielsweise, um bestimmte Angehörige abzusichern oder ein künstlerisches Lebenswerk zu bewahren. Eine Privatstiftung eignet sich daher nicht nur für Unternehmerfamilien, sondern auch für vermögende Privatpersonen. Künstler wiederum können eine Stiftung nutzen, um ihre Urheberrechte, Kunstsammlungen oder Tantiemen geordnet in die Zukunft zu übertragen und ihr kreatives Erbe gemäß ihren Wünschen zu verwalten. Kurz: Die Privatstiftung ist ein Instrument das helfen kann, Vermögen kontrolliert und langfristig zu erhalten.

Nachteile und Herausforderungen

Den genannten Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile und Aufwand gegenüber, die man als potentieller Stifter bedenken muss. Die Gründung und laufende Verwaltung einer Privatstiftung ist mit Kosten verbunden. Zudem geht der Stifter faktisch Verfügungsrechte über das eingebrachte Vermögen auf Dauer ab: Hat er sein Unternehmen oder Kapital einmal in die Stiftung überführt, kann er es grundsätzlich nicht mehr nach Belieben entnehmen, da es nun dem Stiftungszweck gewidmet ist.

Die steuerliche Attraktivität einer Privatstiftung ist mittlerweile überschaubar – die Entscheidung für diese Struktur sollte daher primär aus strategischen, nicht aus steuerlichen Motiven erfolgen.

Nutzen für Unternehmer, vermögende Privatpersonen und Künstler

Unternehmer

Für Besitzer von Familienunternehmen bietet die Privatstiftung eine ideale Nachfolgelösung. Indem der Unternehmer oder die Unternehmerin Geschäftsanteile in eine Stiftung einbringt, kann er/sie sicherstellen, dass die Firma als Ganzes erhalten bleibt und nicht durch Erbstreitigkeiten aufgespalten wird.

Privatpersonen

Auch für Einzelpersonen oder Familien, die kein Unternehmen besitzen, kann die Privatstiftung ebenfalls attraktiv sein. Sie ermöglicht eine professionelle Vermögensverwaltung und kann beispielsweise eingesetzt werden, um Familienangehörige abzusichern, ohne ihnen gleich direkte Verfügungsgewalt über große Vermögensteile zu geben. So lassen sich etwa regelmäßige Auszahlungen oder die Finanzierung bestimmter Zwecke (z.B. Ausbildung der Enkel, Erhalt von Immobilien, Unterstützung wohltätiger Projekte) in der Stiftungsurkunde festlegen. Die Privatstiftung verhindert, dass das Vermögen nach dem Ableben des Stifters unkontrolliert verteilt oder möglicherweise zweckentfremdet wird. Stattdessen bleibt es einem definierten Zweck treu. Der Stifter schafft für sein Vermögen einen rechtlichen Rahmen, der über seinen Tod hinaus wirkt und seine Vorstellungen verbindlich macht.

Künstler

Gerade Künstler, Musiker oder Autoren denken bei Nachfolge oft nicht an klassischen Reichtum, doch ihr „Werk“ samt entsprechenden Urheber- und Nutzungsrechten kann beträchtlichen Wert haben und über Generationen Ertrag abwerfen. Eine Privatstiftung bietet hier die Möglichkeit, das künstlerische Lebenswerk in geordnete Bahnen zu lenken. Beispielsweise kann ein erfolgreicher Künstler zu Lebzeiten eine Stiftung gründen, seine Rechte daran übertragen und bestimmen, wie mit seinen Werken und den daraus resultierenden Einnahmen nach seinem Ableben umgegangen werden soll. So ließe sich regeln, dass ein Teil der Einnahmen jungen Künstlern zugutekommt oder bestimmte kulturelle Zwecke gefördert werden, während zugleich die eigene Familie als Begünstigte finanziell abgesichert ist. Für Künstler kann die Stiftung also die Balance zwischen Nachlassverwaltung und Fortführung des kulturellen Erbes bieten – und dabei helfen, posthume Streitigkeiten (etwa zwischen Erben oder mit Verwertern) zu vermeiden.

Imagewandel

Trotz ihrer sachlichen Vorteile haftet der Privatstiftung bis heute ein etwas angestaubtes Image an. In der öffentlichen Wahrnehmung war sie lange das Spielzeug betagter Industrieller. Tatsächlich sind enorme Vermögenswerte in österreichischen Privatstiftungen gebündelt: Schätzungen sprechen von 70 bis 100 Milliarden Euro in den rund 3.000 Stiftungen. Dieses Ausmaß und die oft anonyme Struktur (Begünstigte bleiben der Öffentlichkeit oftmals verborgen) haben das Vorurteil genährt, Stiftungen dienten primär der Verschleierung und Steuerersparnis für eine Elite. Moderne Entwicklungen zeigen jedoch, dass dieses Bild überholt ist. Erstens wurden, wie oben dargelegt, die Steuervorteile weitgehend eliminiert – eine Privatstiftung lohnt sich heute kaum noch aus rein fiskalischen Gründen. Zweitens öffnet sich die Stiftungslandschaft langsam: Unter den Stiftern finden sich vermehrt jüngere UnternehmerInnen, die dieses Instrument aktiv nutzen, um vorausschauend ihre Unternehmensnachfolge oder Vermögensweitergabe zu regeln. Zudem entstehen Stiftungen mittlerweile in vielfältigen Bereichen – von Kunst und Kultur über Wissenschaft bis zu Sozialprojekten – und zeigen damit, dass es nicht immer nur um klassischen Familienreichtum alter Dynastien geht.

 

Fazit: Richtig eingesetzt und professionell verwaltet, bietet die Privatstiftung einzigartige Möglichkeiten, Vermögen über Generationen zu bewahren und im gewünschten Sinne zu nutzen. Insbesondere für Unternehmer, vermögende Privatpersonen und Künstler mit spezifischen Nachfolge-Bedürfnissen kann sie eine maßgeschneiderte Lösung darstellen. Sie erfordert jedenfalls langfristiges Denken sowie die Bereitschaft, sich auf den vorgegebenen Rechtsrahmen einzulassen. Die Privatstiftung ist ein kraftvolles Instrument in der Nachfolgeplanung.

 

David Stockhammer | Rechtsanwalt d.stockhammer@gibelzirm.com

Bild ©: Burdun Iliya, ID 580927696 | shutterstock.com