Die Planung der Vermögensnachfolge
Die rechtzeitige und richtige Planung der Vermögensübergabe und -nachfolge hat große Bedeutung für den Erhalt des weiterzugebenden Vermögens. Dieser Beitrag beleuchtet diverse Aspekte, die in die Planung der Vermögensnachfolge sinnvollerweise einzubeziehen sind, um künftigen Streitigkeiten unter den Nachkommen vorzubeugen.
Die Aspekte, die bei der Vermögensweitergabe regelmäßig zu berücksichtigen sind, lassen sich in vier Teilbereiche gliedern. Die Aspekte lassen sich wie folgt darstellen:
- rechtliche Aspekte,
- steuerliche Aspekte,
- psychologische Aspekte,
- betriebswirtschaftliche Aspekte.
Wir setzen uns hier vorrangig mit den rechtlichen, aber auch mit den psychologischen Aspekten, welchen bei einer Vermögensplanung mit Blick auf eine Vorbeugung von Streitigkeiten unter den Nachkommen ein besonderes Gewicht zukommt, auseinander.
Rechtlicher Rahmen | Das Pflichtteilsrecht
Der Gesetzgeber gibt einem bestimmten Personenkreis die Möglichkeit, auf jeden Fall etwas aus der Verlassenschaft zu erhalten, auch wenn der Verstorbene testamentarisch jemand anderen als Erben eingesetzt hat. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, die Höhe der gesetzlichen Quote bestimmt wiederrum sich danach, ob der Erblasser einen Ehegatten oder eingetragenen Partner hinterlässt:
Ehegatte oder Eingetragener Partner vorhanden
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Erbquote |
Pflichtteilsquote |
Ehegatte |
1/3 |
1/6 |
Kinder |
2/3 |
1/3 |
Kein Ehegatte oder Eingetragener Partner vorhanden
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Erbquote |
Pflichtteilsquote |
Kinder |
1/1 |
1/2 |
Das Pflichtteilsrecht führt zu einer empfindlichen und letztlich auch nicht gerechtfertigten Einschränkung der Testierfreiheit und damit der Möglichkeit frei über das eigene Vermögen verfügen zu können. Eine breite rechtspolitische Diskussion zu dieser gesetzlichen Bevormundung wäre angebracht und wünschenswert, soll aber nicht Gegenstand dieses Beitrages sein.
Das Pflichtteilsrecht ist für die Nachlassplanung naturgemäß von erheblicher Bedeutung. Werden allfällige Pflichtteilsansprüche nämlich nicht (korrekt) berücksichtigt, kann dies nach dem Tod des Erblassers zu unerwünschten Ergebnissen führen; auch gegen ausdrückliche Anordnungen im Testament. Zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten über die Vermögensaufteilung und die Werte empfiehlt sich nach Möglichkeit schon zu Lebzeiten unbedingte oder bedingte Erb- und Pflichtteilsverzichte einzuholen, mit denen zumindest die Bewertung der den einzelnen Erben zugewendeten Vermögenswerte „außer Streit“ gestellt und bindend festgelegt wird.
Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
In bestimmten Fällen ist es für den späteren Verstorbenen ratsam, die Nachfolgeregelung „vorzuverlagern“ und Vermögenswerte durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf potentielle Erben zu übertragen („vorweggenommene Erbfolge“). Auf diese Weise kann die Vermögensnachfolge von einem selbst begleitet werden, der ideale Zeitpunkt (beispielsweise für eine Zuwendung an die Nachkommen zum Aufbau deren Existenz) gewählt werden etc. Diese vorweggenommene Erbfolge kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Häufig geschieht dies durch Schenkungen, Schenkungen auf den Todesfall oder im Wege der Errichtung einer Privatstiftung (siehe Magazin-Beitrag „Die Privatstiftung als Instrument der Vermögensnachfolge“ von Mag. Portenschlager). Auch bei einer vorgenommenen Erbfolge darf das Erbrecht nicht außer Acht gelassen werden: das Pflichtteilsrecht ist zwingend zu beachten; dieses kann unter Umständen dazu führen, dass eine vorweggenommene Erbfolgeregelung hinfällig wird.
Ansonsten bleibt freilich noch die Möglichkeit von Todes wegen über die Weitergabe des Vermögens zu verfügen („letztwillige Verfügung“). Der Inhalt einer letztwilligen Verfügung kann verschiedenartig sein. In Betracht kommen etwa eine Erbeinsetzung, die Bestellung eines Ersatzerben oder eines Nacherben, eine Enterbung, die Anordnung einer Pflichtteilsminderung oder eines Legats. Auch die Errichtung einer Privatstiftung ist als Verfügung möglich.
Psychologische Elemente | Moral, Empathie & Ratio
Die Aufteilung oder Weitergabe von Vermögen spielt in Familien eine wichtige Rolle, spiegeln doch finanzielle Zuwendungen regelmäßig auch Sympathien bzw. Antipathien unter den Familienmitgliedern wider. Gerade beim „Erben“ werden selbst bisher (scheinbar) harmonische Familienbeziehungen oftmals auf eine harte Probe gestellt. Konflikte um den Nachlass können langwierige zähe Auseinandersetzungen bis vor Gericht oder sogar Kontaktabbrüche nach sich ziehen, auch wenn der Erblasser nur das Beste für seine Erben wollte.
Die Praxis zeigt, dass sich ein Erblasser bei seiner Entscheidung über die Weitergabe seines Vermögens regelmäßig von vier Motiven leiten lässt:
Formelle Gleichbehandlung
Das Vermögen wird, unabhängig von Sympathie, Leistungen oder Bedürftigkeit, unter den engsten Familienmitgliedern (Kinder und Partner) gleichermaßen aufgeteilt.
Wertschätzung
Hier erfolgt die Aufteilung nach subjektiven Kriterien: Sympathie, persönliche Verdienste der Erben (z. B. Pflege) etc.
Bedürftigkeit
Die Bedürftigkeit einzelner Erben ist maßgeblich für die Entscheidung des Erblassers, besonders bedürftige Erben (etwa infolge von Scheidung oder Krankheit) großzügiger zu bedenken als finanziell besser gestellte Erben.
Gemeinnützigkeit
Hier will der Erblasser der Nachwelt eine „gute Tat“ hinterlassen und „spendet“ sein Vermögen oder Teile davon karitativen Einrichtungen.
Oftmals bestehen im Familienkreis auch Usancen, die den „freien“ Entscheidungsmechanismus eines Erblassers nachhaltig mit- oder vorbestimmen. Gerade Vermögen wie etwa Kunstsammlungen oder Immobilien, die sich nicht oder nur mit einer signifikanten Wertminderung teilen lassen, werden häufig über Generationen in gewohnter Weise weiterübertragen. Oftmals macht eine solche „Gewohnheit“ Sinn, vor allem wenn der Modus über die Weitergabe sowie die Verwaltung des Vermögens vom allgemeinen familieninternen Konsens getragen sind. Problematisch wird es, wenn einer der Beteiligten diese „Kultur“ stört. Ist dies vorhersehbar, gilt es entsprechende rechtliche Vorkehrungen zu treffen.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Offenheit in Erbangelegenheiten allen Beteiligten (insbesondere Pflichtteilsberechtigten) gegenüber, weil dies Vertrauen und Verständnis fördert und so entscheidend dazu beiträgt, zufriedenstellende Lösungen zu erreichen und Konflikte zu vermeiden. Die Akzeptanz von ungleichen Aufteilungen erhöht sich, wenn der Erblasser seinen Nachkommen und Partner erklärt, warum sie jemanden mit einem höheren Anteil bedenken.
Fazit
Die Aspekte, die bei der Vermögensweitergabe regelmäßig zu berücksichtigen sind, sind vielfältig. Für die konkrete Umsetzung der Vermögensübergabe ist daher - neben dem Willen und dem Mut eine klare Regelung zu treffen - eine Menge Fachwissen und ein hohes Maß an persönlichem Einfühlungsvermögen gefragt. Die Komplexität der Sachmaterie und die regelmäßig flankierenden Fragestellungen (Immobilienrecht, Kunstrecht, Steuerrecht etc.), verlangen umfassende und nachhaltige Gestaltungsvarianten sowie eine vorausschauende Planung. Ziel ist es, eine abgesicherte Vorsorge zu treffen und nachfolgenden Generationen Gestaltungsspielraum für zukünftige, in der Gegenwart nicht absehbare Entwicklungen zu geben.
Bild: © Laura Chouette, Hj8eZ_wK1eM | unsplash.com