David Stockhammer
Attorney

Familienfrieden bewahren – Erbstreit unter Kindern vorbeugen

Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder auch nach dem eigenen Tod ein gutes Verhältnis zueinander haben. Dennoch enden viele Verlassenschaftsverfahren in familiären Streitigkeiten – nicht selten sogar vor Gericht.

Mit vorausschauender Planung können Eltern jedoch viel dafür tun, dass ihr Nachlass nicht zur Zerreißprobe für die Familie wird. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über rechtliche und praktische Maßnahmen, um Erbstreitigkeiten unter Geschwistern vorzubeugen.

Letztwillige Verfügungen klar regeln

Ein klar formulierter letzter Wille ist der wichtigste Schritt, um spätere Konflikte zu vermeiden. Entscheidend ist, dass das Testament inhaltlich eindeutig und unmissverständlich verfasst ist – denn Unklarheiten bergen erhebliches Streitpotenzial.

Liegt kein Testament vor, greift die gesetzliche Erbfolge mit festen Quoten – auch das führt häufig zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen unter den Angehörigen. Durch eine letztwillige Verfügung können Eltern genau festlegen, wer was erhalten soll, und die Vermögenssphären der Kinder gezielt trennen, um Konflikten vorzubeugen.

Pflichtteilsrechte bedenken und erfüllen

Das Pflichtteilsrecht garantiert nahen Angehörigen (= den Nachkommen und dem Ehegatten) einen Mindestanteil am Erbe. In der Regel kann ein Kind daher nicht vollständig enterbt werden, sondern hat Anspruch auf die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil. Dieser Anspruch ist ein reiner Geldanspruch, der ein Jahr nach dem Tod des Erblassers fällig wird. Auch wenn ein Kind im Testament nicht bedacht wird, kann es dennoch diesen gesetzlichen Mindestanteil einfordern. Eine Enterbung oder Reduzierung des Pflichtteils ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Was das in der Praxis bedeutet:

  • Pflichtteile einplanen: Wer seine Kinder unterschiedlich berücksichtigen möchte – etwa weil eines bereits zu Lebzeiten stärker unterstützt wurde –, sollte dennoch sicherstellen, dass jeder pflichtteilsberechtigte Nachkomme seinen Mindestanspruch erhält. Andernfalls drohen gerichtliche Auseinandersetzungen – ein häufiger Auslöser für Streit unter Geschwistern. Besser ist es, vorausschauend Ausgleich zu schaffen oder einen freiwilligen Verzicht zu vereinbaren (siehe nächster Punkt).
  • Liquidität sicherstellen: Da Pflichtteilsansprüche in Geld auszuzahlen sind, muss ausreichend Liquidität vorhanden sein. Wenn etwa ein Kind die Familienimmobilie erbt und die anderen den Pflichtteil erhalten sollen, braucht es entsprechende Rücklagen oder beispielsweise eine Lebensversicherung. Andernfalls droht ein Verkauf der Immobilie gegen den eigentlichen Willen des Erblassers – was wiederum neue Konflikte schafft. Planen Sie deshalb frühzeitig, wie Ihr Nachlass Pflichtteilsansprüche ohne Streit erfüllen kann – etwa durch klare Teilungsanordnungen oder liquide Mittel.

Freiwilliger Pflichtteilsverzicht als Konfliktprävention

Ein wirksames Mittel zur Vermeidung späterer Ansprüche ist der Pflichtteilsverzicht durch einzelne Kinder. Dabei erklärt ein pflichtteilsberechtigter Nachkomme, auf seinen gesetzlichen Pflichtteil zu verzichten – häufig gegen eine Abfindung oder Schenkung zu Lebzeiten. Etwa wenn ein Kind den elterlichen Betrieb oder die Immobilie übernimmt und im Gegenzug auf weitere Erbansprüche verzichtet.

Wichtige Punkte:

  • Notariatsakt erforderlich: Der Pflichtteilsverzicht muss notariell beurkundet werden (Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll). Ohne diese Form ist der Verzicht unwirksam. Es handelt sich um einen bindenden Vertrag, der nur im beiderseitigen Einvernehmen abgeändert werden kann.
     
  • Umfang des Verzichts: Der Verzichtende verliert zwar das Recht auf seinen Pflichtteil, kann aber weiterhin als Erbe eingesetzt werden. In der Regel wirkt der Verzicht auch für die Nachkommen des Kindes – sofern nichts anderes vereinbart ist. Das verhindert spätere Ansprüche über diesen „Umweg“.
     
  • Freiwilligkeit: Kein Elternteil kann sein Kind zu einem Pflichtteilsverzicht zwingen. Das Kind muss freiwillig zustimmen und erhält dafür üblicherweise eine Gegenleistung.

Schenkungen zu Lebzeiten sinnvoll nutzen

Viele Eltern möchten ihren Kindern bereits zu Lebzeiten etwas zukommen lassen – aus Freude am Schenken oder um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Solche Zuwendungen – ob Schenkungen oder vorweggenommene Erbfolge – können helfen, die spätere Vermögensaufteilung zu regeln und Konfliktpotenzial zu entschärfen.

Dabei ist jedoch stets das Pflichtteilsrecht zu beachten – auch Schenkungen zu Lebzeiten werden bei der Berechnung berücksichtigt.

Offene Kommunikation & zusätzliche Vorkehrungen

Neben juristischen Maßnahmen spielen auch zwischenmenschliche Aspekte eine große Rolle. Hinter vielen Erbstreitigkeiten stehen verletzte Gefühle oder unerfüllte Erwartungen. Deshalb ist Offenheit entscheidend: Sprechen Sie frühzeitig mit Ihren Kindern über Ihre Nachlasspläne – offen und transparent. Ein gemeinsames Gespräch über Ihre Vorstellungen, Werte und Wünsche kann Missverständnisse ausräumen und bereits zu Lebzeiten für Einigkeit sorgen. Erklären Sie, warum Ihnen bestimmte Regelungen wichtig sind. Verständnis für die Beweggründe nimmt oft den emotionalen Druck aus dem Thema Erbe.

Sorgen Sie dafür, dass der Nachlass professionell verwaltet wird. Das schafft Vertrauen und entlastet Ihre Kinder in einer ohnehin emotional belastenden Zeit.

Fazit

Erbstreitigkeiten sind kein unausweichliches Schicksal. Mit durchdachter Planung können Eltern viel dafür tun, den Familienfrieden zu bewahren. Ob durch ein klares Testament, wohlüberlegte Schenkungen, Pflichtteilsverzichte oder offene Gespräche – je transparenter und strukturierter das Vorgehen, desto geringer das Konfliktpotenzial.

Jede Familie ist anders – pauschale Lösungen gibt es nicht. Doch wer das Thema Erbe aktiv und rechtzeitig angeht, schafft Klarheit und verhindert Missverständnisse. Holen Sie sich bei Bedarf fachlichen Rat, um alle Gestaltungsmöglichkeiten optimal zu nutzen.

 

David Stockhammer | Rechtsanwaltd.stockhammer@gibelzirm.com

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