Die Novellierung der Wiener Bauordnung
Die in aller Munde stehende Novellierung der Wiener Bauordnung befindet sich im Endstadium des Gesetzgebungsverfahrens: Nach Beendigung der Begutachtungsperiode im Herbst 2023 ist die abgeänderte Regierungsvorlage nun dem Wiener Landtag zugeführt. Ein endgültiger Gesetzesbeschluss wird bis Ende des Jahres erwartet.
Schwerpunkte der Novellierung sind insbesondere der Klimaschutz, der Erhalt des Stadtbildes sowie die Bewahrung von leistbarem Wohnraum.
Maßnahmen zum Klimaschutz
Das Land Wien sieht bis zum Jahr 2040 eine vollständige Klimaneutralität bei der Wärmeversorgung (Raumheizung und Warmwasser) in Gebäuden vor: Der Einsatz von fossilen Brennstoffen soll nach und nach durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden, um Treibhausgasemissionen zu verringern (Dekarbonisierung).
Zu diesem Zweck werden Maßnahmen zur Erzielung einer nachhaltigeren Lebensweise begünstigt und gefördert:
Beispielsweise wird die Bewilligung von Fotovoltaikanlagen erleichtert: Derzeit knüpft die Bewilligungspflicht für Solaranlagen aus brandschutztechnischen Erwägungen an ein Fluchtniveau von 11m. Diese Regelung soll mit Einführung der neuen Rechtsgrundlagen entfallen. Für Anlagen im Grünland-Schutzgebiet oder in Gebieten mit Bausperre sind auch weiterhin Bewilligungen der Anlagen einzuholen.
In Zukunft können Gebäudeumrisse durch technische Infrastruktur von hoch effizienten alternativen Systemen (z.B. Fotovoltaikanlagen) im unbedingt erforderlichen Ausmaß überschritten werden. Auch ermöglicht die Novellierung Abweichungen vom Bebauungsplan, wenn diese in dauerhafte Weise dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung dienen. Das Land Wien stellt dadurch BauwerberInnen und PlanerInnen einen flexibleren Rahmen zur Verfügung um durch innovative Lösungen den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
Unterstützend kommt hinzu, dass sämtliche Abweichungen vom Bebauungsplan die UNESCO-Welterbestätten nicht beeinträchtigen dürfen. So wird einerseits die Schaffung klimafreundlicher Anlagen erleichtert und gleichzeitig die Bewahrung der Kultstätten gewährt.
Auch begünstigt die bevorstehende Novellierung Dachbegrünungen und die Installation von Wärmedämmungen. Zukünftig dürfen Fluchtlinien bis 20cm und Gebäudehöhen bis 30cm überschritten werden. Zwar wird befürchtet, dass die mögliche Überschreitung der Gebäudehöhe durch Begrünungen im Hinblick auf die dafür notwendigen Montagevorrichtungen (z.B. Rankgerüst) in Kombination mit Wärmedämmungen zu niedrig ausgefallen ist, jedoch hat die Landesregierung die zuvor geplante maximale Überschreitung von 15cm immerhin um das Doppelte angehoben.
Der bevorstehende Gesetzesbeschluss des Wiener Landtages umfasst jedoch nicht nur die Novellierung der Wiener Bauordnung, sondern auch die Neufassung des Wiener Garagengesetzes. Auch hier werden Regelungen zur Förderung des Klimaschutzes eingeführt. Für Nicht-Wohngebäude, die über 20 Stellplätze verfügen, soll in Zukunft für jeden zehnten Stellplatz mindestens ein Ladepunkt errichtet werden. Für alle bestehenden Einheiten soll diese Maßnahme bis 2030 umgesetzt werden. Die E-Lade-Infrastruktur wird so zum Schutz des Klimas ausgebaut.
Erhalt des Stadtbildes
Durch die Gesetzesnovellierung wird zukünftig der Abriss von Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden oder sich in Schutzzonen befinden, wesentlich erschwert. Um den bisher immer wieder auftretenden heftigen Debatten über den Abriss von Gründerhäusern entgegenzuwirken, wird nach Inkrafttreten der Novellierung die Abbruchbewilligung der Behörde nur unter den Voraussetzungen erteilt, dass der Erhaltungszustand derart schlecht ist, dass die Erhaltung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen erfolgen kann. Mängel, die durch vorsätzliche Vernachlässigung des Gebäudes entstehen, bleiben bei der wirtschaftlichen Betrachtung außer Acht. Die dafür notwendigen Erkundigungen sind von der Behörde durch einen zu beauftragenden Sachverständiger einzuholen. Die Eigentümer können den Erhaltungszustand von an nicht mehr aus Eigeninitiative feststellen lassen und spekulative Abrisse werden verhindert.
Zur Kontrolle des Bauzustandes soll durch die Novellierung das sogenannte „Gebäudepickerl“ eingeführt werden. Zum Schutz von Altbauten soll das „Pickerl“ etwaige Mängel, Gebrechen und deren Behebung dokumentieren. Die Behörden haben somit einen Überblick über sanierungsbedürftige Bauwerke und können regelmäßige technische Überprüfungen zu Verhinderungen des weiteren Verfalles durchführen.
Bewahrung von leistbarem Wohnraum
Um den Bestand von Wohngebieten zu sichern, führt die Novellierung der Wiener Bauordnung diverse Neuauflagen im Bereich Städteplanung und bodensparende Siedlungsentwicklung ein.
Nach der geltenden Rechtslage dürfen Einkaufszentren einen Schwellenwert von 2.500 m2 nicht übersteigen. Dieser Schwellenwert soll zukünftig auf 1600 m2 herabgesetzt werden. Parallel dazu wird eine verpflichtende Mehrgeschoßigkeit für Einkaufszentren eingeführt. Mindestens ein Drittel der Flächen der oberirdischen Nutzungseinheiten sind oberirdisch des Ergeschoßes zu errichten.
Auch kommt es zu einer Neugestaltung der Stellplatzverpflichtung: Die einheitliche Regelung wird durch die Novellierung durch ein Zonenmodell ersetzt. Ist eine außerordentlich gute öffentliche Verkehrsanbindung gewährleistet, so wird in diesen Gebieten die bestehende Verpflichtung auf 70 bzw. 80 gesenkt. Eine Änderung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes ist hierfür nicht notwendig.
Abschließend soll auf die Neuregelung im Zusammenhang mit der Kurzzeit-Vermietung hingewiesen werden. Um das Fortbestehen von Wohnraum dauerhaft zu gewährleisten und Zweckentfremdungen entgegenzutreten, wird die bestehende Regulierung auf Nicht-Wohnzonen ausgeweitet. Weiterhin erlaubt, ist die Kurzzeit-Vermietung der eigenen Wohnräume auf Online-Plattformen wie AirBnB von insgesamt höchstens 90 Tagen im Jahr.
Über sämtliche beschlossenen Neuerungen der WBauO und deren Auswirkungen auf die Praxis werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
Bis dahin verbleiben wir mit optimistischen Grüßen!
Maximilian Zirm | Partner – m.zirm@gibelzirm.com
Marie-Therese Boresch | juristische Mitarbeiterin – m.boresch@gibelzirm.com
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